„Nächster Halt: Menschen retten“ – Ein INTERVIEW mit unserem Schulpraktikanten MORITZ GROPPENBÄCHER über seine wertvollen Erfahrungen nach seinem Schulabschluss.
S: Wir haben heute Moritz Groppenbächer zu Gast bei Jitsi. Er ist Praktikant an unserer Schule und hatte eine interessante Vergangenheit bei der Bundeswehr. Er war bei der Marine im freiwilligen Wehrdienst und hat dort Flüchtlingen geholfen.
Herr Groppenbächer, vielleicht können Sie sich kurz selbst vorstellen?
MG: Ich bin Moritz, 21 und habe vor bald 4 Jahren mein Abi gemacht. Ganz ehrlich, ich wusste nicht, was ich nach dem Abi machen soll. Ich hatte mehrere Überlegungen gehabt und mich dann im letzten Schuljahr dafür entschieden, zur Bundeswehr zu gehen. Da muss man sich auch ca. 1 Jahr vorher bewerben. Dann hatte ich eine gewisse Sicherheit, dass ich nach dem Abi was zu tun habe und auch etwas Soziales machen kann.
S: Wie haben Ihre Eltern reagiert, als sie ihnen von Ihrem Plan erzählt haben?
MG: Es gab von ihrer Seite keinen Widerstand oder ähnliches, sie haben mich unterstützt und mir auch schon immer geraten nach dem Abi nicht direkt zu studieren, sondern etwas für mich und meine Entwicklung zu machen.
S: Muss man gewisse Voraussetzungen mitbringen, wenn man zur Bundeswehr möchte?
MG: Es kommt ganz darauf an, was du da machen möchtest. Ich habe nur einen Freiwilligen Wehrdienst gemacht. Den kannst du von 7 Monaten bis zu 2 Jahren machen, dabei wirst du jedoch nur ein sogenannter Mannschafter. Es gibt aber ja auch noch ganz andere Stufen von Dienstgraden, die du dort erreichen kannst. Wenn du z.B. Unteroffizier oder Offizier werden willst, dann gibt es natürlich auch ganz andere Voraussetzungen und du musst dich dementsprechend auch länger verpflichten. Aber wenn du jetzt ein freiwilliges Jahr machen willst, wie ich, dann läuft das in etwa so ab, dass du nachdem du deine Bewerbung abgegeben hast, zu einem sogenannten Karriere Center eingeladen wirst. Dort wird alles einmal komplett durchgecheckt. Zum einen deine Gesundheit, indem du in eine Wehrtauglichkeitsgruppe zugeteilt wirst.
Des Weiteren machst du einen kurzen Sporttest, den du später, zu Beginn der Grundausbildung, nochmal wiederholst und einen Multiple Choice Test mit Logik-Fragen, damit du eingeschätzt werden kannst.
S: Wo waren Sie genau, Ausbildung und Einsatzort?
MG: Die Ausbildung habe ich in Bremerhaven gemacht, das sind ca. 10 Stunden mit dem Zug von Freiburg aus. Es war immer ein Spaß am Wochenende nach Hause zu fahren. Später war ich in Wilhelmshaven stationiert, das liegt in der Nähe. Beide Orte liegen am Ende der Welt. Der Einsatz, indem ich geholfen habe Geflüchtete zu retten, war auch nicht meine einzige Seefahrt. Ich war auch bei verschiedensten Übungen in Schweden, England und im Mittelmeer dabei. Kurzgesagt bin ich viel rumgekommen.
S: Wie war Ihr Tagesablauf auf dem Schiff und was haben Sie dort gemacht?
MG: Auf dem Schiff sind die Arbeitsabläufe und die Aufgaben verteilt. Ich hatte mich dafür entschieden, die Navigation zu übernehmen. Dort habe ich gelernt, wie man Boote trackt und Schiffsverkehr koordiniert, also z.B. wie man während der Suche nach Booten weiter am Schiffsverkehr teilnimmt.
Für mich bedeutete das, dass ich viel auf elektrische Seekarten sehen und das Tagebuch des Schiffes führen musste. Das bedeutet du hast 4 Stunden lang deine Schicht, in der du auf der Brücke des Schiffes warst und deine Aufgaben erledigt hast und im Anschluss hast du entweder 8 Stunden frei, musst tagsüber putzen oder in anderen Abteilen helfen. Nachts kannst du dann schlafen, wenn du keine Wache hast. Es kann dabei sein, dass du von 0 bis 4 Uhr Wache hast und dementsprechend wach sein musst. In dieser Zeit verliert man sein Tagesgefühl, weil der Tag in so komischen Rhythmen eingeteilt ist.
S: Was war Ihr beeindruckendstes Erlebnis, welches Sie auch geprägt hat?
MG: Es ist schwierig dies auf ein Erlebnis zu beschränken. Es war an sich eine ziemlich beeindruckende Erfahrung und mir würde aus dem Stehgreif nicht nur ein Beispiel einfallen. Jedoch ziemlich eindrückliche Erlebnisse waren z.B., als nach einem Sturm die ganzen Sachen der Leute im Wasser trieben. Nicht unbedingt Menschen, dass eher weniger, aber vor allem wenn Kinderschuhe im Wasser schwammen, das war schon krass.
S: War der Einsatz psychisch belastend für Sie, da Sie bestimmt nicht allen helfen konnten?
MG: Ja schon, es war manchmal schwierig das zu ertragen. Ich habe meinen Weg gefunden, damit klarzukommen, es ist nicht unsere Schuld, dass wir ihnen nicht helfen konnten. Wir haben immer unser Bestes gegeben aber haben es eben manchmal nicht geschafft alle zu retten.
S: Ist der Umgang miteinander sehr militärisch und hierarchisch?
MG: Der Ton ist lockerer als in der normalen Bundeswehr und gegenüber der Ausbildung. Auf dem Schiff bist du auf engem Raum mit ca. 250 Leuten zusammengepfercht, da würde das gar nicht gehen. Es gibt natürlich eine Hierarchie und Respekt, aber es ist eher freundlicher Natur. Die Marine wird als die lockerste Truppe in der Bundeswehr angesehen.
S: Wie ist es dort Gehalts-technisch gewesen?
MG: Bei der Marine bist du als FWDler bei ca. 1500€ netto angesetzt und mit steigender Erfahrung und Dienstgrad steigt auch dein Gehalt. Am Schluss war ich bei ca. 2200€ netto im Monat. Wenn du im Ausland bist, bekommst du zusätzlich auch noch pro Tag eine Pauschale von ca. 50€, je nachdem wo du bist. In Afghanistan z.B. kommst du mit einer Gefahrenpauschale auf ca. 200€ pro Tag. Bei manchen Einsätzen kommst du also mit sehr viel Kohle zurück.
S: Wie lange waren Sie insgesamt unterwegs?
MG: Der Einsatz im Mittelmeer ging 6,5 Monate, die Übungen sonst waren bei weitem nicht so lange, einmal war ich 2 Monate lang im Atlantik und 1,5 Monate bei Schweden in der Ostsee. Man ist meistens zwei bis drei Wochen auf See, dann läuft das Schiff für ein bis zwei Tage in den Hafen ein, dort hat man dann auch frei. Wenn man so lange unterwegs ist, vermisst man manchmal zu Hause, aber ich hatte nie großes Heimweh. Man kann ja in der Kaserne auch jedes Wochenende heim. Und im Einsatz hatten wir auch einmal 2 Wochen frei in denen wir nach Hause fliegen konnten.
S: Wo haben Sie die Personen dann hingebracht, die Sie im Mittelmeer gerettet haben? Und auf welche Personengruppe trafen Sie am meisten?
MG: Es kommt immer drauf an in welchen Hoheitsgewässern man die Geflüchteten rettet, deswegen müssen z.B. in türkischen Gewässern gerettete Menschen an die Türkei übergeben werden.
Das wird auch von den jeweiligen Ländern streng überwacht, da es zwischen der Türkei und Griechenland generell viele Spannungen gibt. Für die Personen ist es oft ein ziemliches Glücksspiel, ob sie es bis in die griechischen Gewässer geschafft haben, weil sie dann nach Europa gebracht werden können. Wir trafen zu 60-70% auf junge Männer von 15-35 Jahren, der Rest waren Frauen und Kinder.
S: Wie sind Sie von der Bundeswehr aufs Lehramtstudium gekommen?
MG: Schwierige Frage, tatsächlich wollte ich in der Bundeswehr noch was anderes studieren, und zwar Nautik mit dem man später in der Schifffahrt an sich arbeiten kann. Das war auch ein Grund, warum ich zur Marine gegangen bin, um zu schauen, ob Seefahrt überhaupt was für mich ist. Das war leider nicht der Fall, weil ich nicht ganz so seefest bin. Am liebsten wollte ich dann etwas in Richtung Naturschutz machen. Doch da kam ich mit meinem Noten-Schnitt nicht rein. Bei weiteren Überlegungen kam mir die Hausaufgabenhilfe, die ich an meiner alten Schule gegeben habe in den Kopf, bei der ich immer viel Spaß hatte. Schlussendlich wurde es das Lehramtstudium mit Deutsch und Geschichte.
S: Was für Auswirkungen hat diese Zeit auf Ihren heutigen Alltag?
MG: Ich bin deutlich genügsamer geworden, da ich lange auf engem Raum gelebt habe. Ich habe mehr Ordnung in mein Leben bringen können und mir ist bewusst geworden, wie viel Glück wir eigentlich haben, dass wir gewisse Dinge nicht miterleben müssen. Im Gegensatz zu uns geht es Leuten in anderen Ländern richtig dreckig und da merkt man, wie glücklich wir eigentlich sein sollten.
S: Würden Sie es nochmal machen und auch weiterempfehlen?
MG: Ja, ich würde es nochmal machen. Wie gesagt, es hat mich geprägt und mir auch in meiner Selbstfindung geholfen. Aber die Frage, ob ich es weiter empfehlen würde…kommt ganz auf den Charakter an. Wenn du zur Bundeswehr gehst, auch wenn du in einen sozialen Bereich möchtest, musst du trotzdem erstmal das normale militärische Prozedere durchlaufen und die Frage ist, ob das dann was für dich ist. Aber wenn man das machen möchte und auch einen sportlichen Anspruch hat und auch die Herausforderung sucht, dann kann ich das nur empfehlen.
Wir danken Herr Groppenbächer für das spannende und aufschlussreiche Gespräch. Es war interessant zu erfahren, wie eine Laufbahn bei der Bundeswehr nach dem Abi aussehen kann. Vielleicht hat jemand hiermit eine für sich passende Alternative zum herkömmlichen FSJ gefunden.
Mira, Melanie, Zoe, Tiziana, Julia E., Sophie, Melina (SGS11)